Der Volkswirt
Heft 2022 03
Österreich hat bisher nichts getan, um die 1955 beschlossene immerwährende Neutralität glaubhaft zu gestalten. In dem fünf Zeilen umfassenden Gesetz wurde erklärt, das Land werde mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln die Neutralität aufrechterhalten und verteidigen. Die einzige Präzisierung besteht in der Erklärung, dass man keinem militärischen Bündnis beitreten werde. Man hätte sich mehr erwartet, doch liefert schon die sparsame Formulierung genug Zündstoff. Von einem Staat, der erklärt, er werde keinem Militärbündnis beitraten, kann man erwarten, dass dieser Staat sich selbst verteidigt. In den siebenundsechzig Jahren, die seit dem Beschluss des Neutralitätsgesetzes vergangen sind, kann niemand behaupten, man hätte mit allen zu Gebote stehenden Mitteln etwas getan, um das Land im Ernstfall zu schützen.
Xi Jinping wurde Ende Oktober 2022 endgültig zum unbestrittenen Alleinherrscher Chinas, nachdem er in einem Endspurt die letzten Gegner aus dem Weg geräumt hatte. Jetzt steht allerdings nicht der Genuss der Macht auf dem Programm, sondern die Eroberung von Taiwan, der Insel vor China, auf der sich seit 1949 die „Republik China auf Taiwan“ behauptet. Der kleine Staat wird allerdings von den USA unterstützt und kann im Ernstfall auch mit Hilfe aus Japan und den anderen Ländern des südchinesischen Meeres wie den Philippinen rechnen. In diesem Umfeld ist letztlich auch die NATO gefordert. Australien, Indien und Thailand sind ebenfalls nicht an einer Ausweitung der Macht der kommunistischen Volksrepublik China interessiert und werden nicht untätig bleiben. Wieso hat der mächtige Herrscher über das Großreich China nichts anderes im Sinn, als eine kleine Insel mit einer Fläche von 36.000 Quadratkilometern zu annektieren?
Mit dem Wahlsieg von Giorgia Meloni in Italien ist Europa einen weiteren Schritt nach rechts gerückt. Meloni regiert mit Hilfe der schon länger aktiven Rechten, Matteo Salvini von der Partei „Lega“ und Silvio Berlusconi von der „Forza Italia“. Die Partei der neuen Aufsteigerin, „Fratelli d'Italia”, hat zwar nur 25,8 Prozent der Wähler überzeugt, die beiden anderen, einst strahlende und nun bescheidene Mit-Sieger, bringen jeweils über 8 Prozent in das Regierungsbündnis ein, womit die Mehrheit im Parlament gesichert ist.
Die Anhebung der Leitzinsen auf bis zu 4 Prozent durch die US-Währungspolitik Anfang November 2022 bedeutet einen fatalen Schlag gegen die eigene amerikanische und darüber hinaus gegen die gesamte Weltwirtschaft. In der Folge sind die anderen Zentralbanken, nicht zuletzt die EZB, gezwungen nachzuziehen, um einen Sog des Kapitals zu den hohen Dollarzinsen zu bremsen. Das ist vor allem für Europa katastrophal, wo die Wirtschaft schwächelt und durch höhere Zinsen zusätzlich gebremst wird. Zudem konnten schon bisher die meisten Staaten ihre Budgetlöcher kaum mit Anleihen zu Nullzinsen stopfen. Jetzt werden zusätzliche Milliarden für Zinsen fällig.
Das Schulwesen ist ein ständiges Diskussionsthema, stets im Mittelpunkt des Interesses. Die jeweiligen Anhänger der vielen, einander widersprechenden Theorien über das ideale Bildungswesen werden nicht müde die Richtigkeit ihrer Meinungen zu verteidigen. Fernab von diesen Auseinandersetzungen liefert die Gehirnforschung Erkenntnisse, die in allen Konzepten zu berücksichtigen wären: Die Kinder verfügen in den ersten zehn Lebensjahren über enorme Fähigkeiten. Werden diese genützt, ergeben sich für alle Bildungswege neue Perspektiven.
Und wieder wurde ein Termin beschlossen, an dem das letzte Benzin-Auto verkauft werden darf, an dem das letzte Öl-, Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerk noch in Betrieb sein darf. DenAkteuren fällt der Unsinn dieser Beschlüsse nicht auf: Es handelt sich um eine neue Form der Geisterbeschwörung, die genauso wenig wirkt wie das früher beliebte Tischrücken.
Heft 2022 02
In Europa ist die Finanzierung der Pensionen durch die Sozialversicherung und den Staat eine Selbstverständlichkeit, die auch nicht diskutiert wird. Man fragt sich wieso? Das System ergibt eine ständige Kapitalvernichtung, die vermeidbar wäre. Womit nicht gesagt sei, dass keine Pensionen gezahlt werden sollten. Womit aber laut und deutlich gesagt sei, dass dringend eine Systemänderung notwendig wäre. Davon ist aber nicht die Rede, vielmehr werden ständig neue Wege gesucht, die Pensionen im bestehenden System doch noch zu retten. Eine Übung, die den alten Kontinent immer tiefer in die Pleite treibt, weil es sich dabei um ein Fass ohne Boden handelt, das mit der Alterung der Bevölkerung immer größer wird. Somit gilt es eine mögliche Systemänderung zu betrachten und zu zeigen, wieso die Pensionen Europa ruinieren.
Jetzt wird vielen Faktoren die Schuld an der Teuerung und der Krise angelastet. Der tatsächlich entscheidende und katastrophal wirkende Faktor findet kaum Beachtung: Der Umstand, dass seit vielen Jahren das verfügbare Geld der privaten Sparer und Anleger zum größten Teil falsch angelegt wird. Und der Umstand, dass die privaten Sparer und Anleger kaum intelligente Alternativen vorfinden und daher unweigerlich in Fehlinvestitionen getrieben werden.
Der Euro-Kurs sorgt für Aufregung. War man gewöhnt 1,20 Dollar oder mehr für einen Euro zu bekommen, so sind es zuletzt nurmehr 1,01 und in Kürze vermutlich weniger als ein Dollar. Schon ist wieder die Rede von einer Euro-Krise. Diese Parole lenkt nur von der Realität ab. Der Euro selbst ist eine unschuldige Währung und wie jede Währung letztlich eine Verrechnungseinheit. Der Kursverfall zeigt nicht die Krise der Währung, sondern die Krise der 19 Länder, die den Euro verwenden und darüber hinaus auch die Schwäche der 8 EUStaaten, die nicht mit Euro zahlen.
Angesichts der in die Höhe jagenden Preise wird überall der Ruf nach einem Ausgleich laut. Kein Wunder, während die Statistiker bereits von erschreckenden 7 oder 8 Prozent Inflation reden, kann sich jede und jeder selbst ein Bild machen und feststellen, dass der tatsächliche Prozentsatz sogar weit höher ist. Das aktuelle Schlagwort lautet daher: Inflationsabgeltung! Leider löst jeder Inflationsausgleich über höhere Löhne, höhere Renten und sonstige Anpassungen einen weiteren Inflationsschub aus und beschleunigt die Geldentwertung über noch höhere Preise. Das Gebot der Stunde müsste lauten: Nur ja keinen Inflationsausgleich!
Für die Politik ist Geld,wem es auch immer gehören mag, offenbar ein freies, geradezu herrenloses Gut, nach dem man nach Belieben greifen kann. Das müssen die Sparer und Anleger schon länger zur Kenntnis nehmen: Mit Hilfe von geringen oder sogar Minuszinsen werden die Guthaben seit Jahren entwertet und auch jetzt bei einer Inflation von 7 und 8 Prozent ist kein Ausgleich für die Preissteigerungen abzusehen. Damit nicht genug: Derzeit findet gerade ein Probelauf statt, wie man die Sparer und Anleger noch umfassender, noch härter zur Kasse bitten kann. Diese Übungen haben demAnschein nach nichts mit den heimischen Bürgern und Bürgerinnen zu tun, diese Praktiken kommen im Rahmen der Sanktionen gegen Russland zum Einsatz. Da werden einfachMilliarden beschlagnahmt, ohne zu fragen, wem die Gelder gehören und ob ein Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg besteht, den derWesten mit Sanktionen stoppen möchte. Was heute mit russischen Milliarden stattfindet, kann in einer Krise morgen mit den Sparguthaben der EU-Bürger geschehen.
Seit der Konzeption von Basel III sind jetzt zwölf Jahre vergangen. 2010 begann also der Niedergang des europäischen Bankwesens, der sich auch gegenwärtig fortsetzt. Die damals entworfenen Ideen wurden mittlerweile ausgebaut und ausgebaut und wieder ausgebaut, sodass man letztlich von Basel IV oder V reden müsste.
Heft 2022 01
Feminismus, Emanzipation und„Me-too“ beseitigen die Spannungen zwischen Mann und Frau offenkundig nicht. Auf die Frage, ob überhaupt der Gegensatz der Geschlechter auflösbar ist, gibt es keine befriedigende Antwort. Also empfiehlt sich ein weniger grundsätzlicher, eher pragmatischer Zugang und dieser führt in erster Linie zur Sprache: Es ist für die Konflikte zwischen Mann und Frau einfach nicht hilfreich, wenn zahlreiche Mehrzahlwörter männlich sind und somit der Tatsache nicht Rechnung tragen, dass die Menschheit aus zwei Geschlechtern und auch aus Transgender-Personen besteht. Es bedarf einer Sprachreform, die Mehrzahlwörter schafft, die alle Personen meinen. Mit einem derartigen Schritt werden nicht alle Probleme gelöst, doch der Weg geebnet, um die Gegensätze zwischen Mann und Frau zu entschärfen.
An den Tankstellen nähern sich die Preise der 2 Euro-Marke und bei einer Kategorie haben sie diesen Betrag schon überschritten. Gibt es eine sachliche Erklärung? Nein. Der Ölpreis liegt knapp über 100 Dollar je Fass, 2012 war der Preis noch höher und der Liter Treibstoff kostete weniger als 1,60 Euro. Im Moment gibt es eine perfekte Ausrede für noch höhere Preise an den Tankstellen: Es ist Krieg in der Ukraine.
Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine wollen plötzlich die neutralen Staaten Schweden, Finnland und Österreich zur NATO. Die Überlegung ist offenkundig: Man möchte unter den Schutzschild der Verteidigungsallianz kriechen und meint, im Falle einer Bedrohung durch Russland eilen die Armeen der NATO herbei und vertreiben den Feind. Das ist eine Illusion. Offenbar liest niemand den NATO-Vertrag. Sonst ist nicht erklärbar, warum jetzt die Neutralen zur NATO wollen und vor ihnen alle osteuropäischen EU-Mitglieder unbedingt dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis beigetreten sind. In den Statuten der NATO ist keineswegs verankert, dass bei einem Angriff auf ein NATO-Mitglied sofort mit einem Militärschlag geantwortet wird. Ein Angriff auf ein NATO-Land wird zwar als Angriff auf alle betrachtet, die Gemeinschaft der NATO-Staaten ist zum Beistand verpflichtet, aber jedes Mitglied entscheidet, in welcher Form dieser Beistand geleistet wird. Wenn in Washington beschlossen wird, dass man nicht einen Weltkrieg riskieren möchte, weil beispielsweise die russische Armee das NATO-Mitglied Litauen überfällt, dann kann der Beistand aus Waffenlieferungen, Dollars und guten Ratschlägen bestehen.
Die französischen Präsidentenwahlen haben das erwartete Ergebnis gebracht. Emmanuel Macron wurde wiedergewählt und startet nun seine zweite Amtszeit, die bis 2027 dauert. Nicht erwartet wurde allerdings, dass die rechtsradikale Gegenkandidatin in der Stichwahl, Marine Le Pen, in 30 Regionen die Mehrheit erobert, bei der Wahl im Jahr 2017 waren es nur 2. Somit hat in den vergangenen Jahren eine deutliche Stärkung des nationalen Lagers stattgefunden. Zwar entscheidet sich die Mehrheit letztlich doch für einen liberaleren, EU-freundlichen Weg, aber das Land ist keineswegs eine Stütze Europas. Die Bevölkerung ist mehr an der Wahrung der nationalen Anliegen interessiert. Im Juni finden Parlamentswahlen statt und schon jetzt ist absehbar, dass das im Präsidentenwahlkampf deutlich gewordene Chaos die politische Arbeit der nächsten Jahre bestimmen wird.
Das Ergebnis der vor kurzem abgehaltenen ungarischen Wahlen bedeutet für die EU einen Sprengstoff, der weit dramatischer ist als der Austritt Großbritanniens. Der Wahlkampf des Parteiführers und Langzeitministerpräsidenten Viktor Orbán war als Verteidigung eines unabhängigen Ungarns konzipiert, das sich nicht der Brüsseler Diktatur beugt. Die ungarischen Wähler haben seiner rechtskonservativen Partei FIDESZ eine absolute Mehrheit gesichert, die durch das Wahlsystem für eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament sorgt. Die EU-Spitzen müssen zur Kenntnis nehmen, dass man Wahlen überragend gewinnen kann, wenn die rechtsstaatlichen Grundsätze der EU verletzt und die Regeln der freien Marktwirtschaft ignoriert werden, ein Staat als EU- und NATO-Mitglied enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin unterhält und den Einmarsch in der Ukraine nur halbherzig kritisiert. Dass dieses Paket ganz ohne Nachahmer und Gefolgsleute in anderen EU-Staaten bleibt, ist kaum zu erwarten.
Welcher Politiker war in den vergangenen Wochen noch nicht in Kiew? Wer hat dem ukrainischen Präsidenten noch nicht erklärt, dass er neben oder hinter ihm steht? Für diese gilt „Auf zu Selenskij“! Denn: Wer nicht auf einem Foto mit dem Präsidenten der Ukraine prangt, kann einfach nicht bedeutend sein.